Elisabeth
Verfasst: 21.11.2003, 15:37
Ähm. Zum Thema Elisabeth, das im Thema Kitsch, das im Thema Karusell zum Thema Einhorn aufgetaucht ist.
Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht ins Schauspiel-Forum gehört, aber probieren wir's mal.
Ein Musical, das sich mit dem Leben der Kaiserin Sisi auseinandersetzt. Mörderstoff, eigentlich. Siehe Filme.
Und der Librettist, Michael Kunze, hat die Sache genial gelöst, finde ich. Er stellt das Leben der Kaiserin als Flirt mit dem Tod dar, der Mörder Luigi Lucheni kommentiert bösartig. (Die Todgeschichte könnte ja theoretisch auch ins Auge gehen- Hollywood hat mit "Rendez-vous mit Joe Black" eindrucksvoll bewiesen, das man den Stoff total versauen kann.) Nun ja, gibt wohl einige recht nette Emanzenlieder der Dame, die Wutausbrüche des Tods sind hörenswert. Aber beeindruckt haben mich vom Text vor allem die Stücke, die den Zeitgeist veranschaulichen.
AUDIENZSAAL DER HOFBURG IN WIEN
In einem Lichtspot auf der Vorderbühne Lucheni. Er hat in einer Zeitung gelesen, die er nun zusammenfaltet"
LUCHENI (gesprochen): Wir schreiben das Jahr Achtzehnhundertdreiundfünfzig. In Wien regiert der junge Kaiser Franz Joseph. Seine Herrschaft beruht auf einem stehenden Heer von Soldaten, einem sitzenden Heer von Beamten, einem knieenden Heer von Priestern und einem schleichenden Heer von Denunzianten. Und- auf den Ratschlächen seiner Mutter, von der man sagt, sie sei der einzige Mann bei Hofe.
Lichtwechsel. Franz Joseph sitzt am Schreibtisch. Neben ihm steht seine Mutter, die Erzherzogin Sophie. Sie legt Franz Joseph Schriftstücke zur Unterschrift vor. Etwas abseits der kaiserliche Generaladjutant Graf Grünne
ERZHERZOGIN SOPHIE: (zu Franz Joseph):
Sei streng! Sei stark!
Sei kalt! Sei hart!
(zum Puplikum)
Jedem gibt er das Seine
alles bringt er ins Reine-
Gott erhalte, Gott beschütze
uns den jungen Kaiser!
Mit dem Stab auf den Boden stoßend, kündigt Graf Grünne einen Besucher an.
GRAF GRÜNNE: Der Kardinalerzbischof!
Kardinalerzbischof Rauscher tritt auf. In der Hand hält er eine Schriftmappe.
RAUSCHER: Majestät, die heil'ge Kirche
stößt auf Widerstand...
ERZHERZOGIN SOPHIE: Empörend!
RAUSCHER: Majestät, die Kirche wünst die Schulaufsicht im Land!
Erzherzogin Sophie nimmt von Kardinalerzbischof Rauscher die Mappe, studiert das vorbereitete Schiftstück und legt es mit einem Kopfnicken Franz Joseph vor.
FRANZ JOSEPH: Gewährt!
Er unterschreibt.
KARDINALERZBISCHOF RAUSCHER, ERZHERZOGIN SOPHIE, GRAF GRÜNNE: Jedem gibt er das Seine,
alles bringt er ins Reine,
Gott erhalte, Gott beschütze
uns den jungen Kaiser
GRAF GRÜNNE: Der Herr Minister!
FÜRST SCHWARZENBERG: Majestät, das Volk will uns MInister kontrollier'n!
SOPPHIE: Wie lachhaft!
SCHWARZENBERG: Ich schlage vor, die Staatsverfassung zu kassier'n.
Schwarzenberg erhält ein zustimmendes Nicken und tritt zurück. Nacheinander treten weitere Besucher vor, jeweils angekündigt durch ein Klopfen mit dem Adjutantenstab.
BARON KEMPEN: Majestät, das Spitzelwesen ist noch nicht perfekt!
SOPHIE: Verbessern!
BARON HÜBNER: Majestät, erlauben Sie mein Eisenbahnprojekt!
FRANZ JOSEPH: Gewährt!
ALLE (außer Franz Joseph):
Jedem gibt er das Seine
alles bringt er ins Reine
Gott erhalte, Gott beschüzte
uns den jungen Kaiser
FRANZ JOSEPH (seine Prinzipien rekapitulierend):
Nur an das Ganze denken,
kein Gefühl verschenkten
Emsig, brav und schlicht
ein Diener der Pflicht
LUCHENI (den Adjutanten nachäffend): Eine Mutter!
Todesengel (Anm: in der Aufführung, die ich gesehen hab', waren das schwarz gekleidete, weißhäutige Typen mit einem Flügel und einem maliziösen Grinsen) bringen die Mutter eines Verurteilten herein. Sie fällt vor Franz Joseph auf die Knie)
MUTTER EINES VERURTEILTEN: Majestät, mein Sohn rief "Freiheit" und kam vor Gericht.
ERZHERZOGIN SOPHIE: Erfreulich!
MUTTER DES VERURTEILTEN: Gnade, Gnade! Was auch war, den Tod verdient er nicht!
Franz Joseph steht auf. Er ringt mit sich.
FRANZ JOSEPH:Wenn ich so könnte, wie ich wollte...
Müsst ich nicht das tun, was ich sollte,
dann wär ich lieber mitleidsvoll und gut.
SOPHIE (teilweise gleichzeitig)
Sei streng, sei stark!
Sei kalt! Sei hart!
Sei streng! Sei stark!
Sei kalt! Sei hart!
FRANZ JOSEPH: Abgelehnt!
Die Mutter des Verurteilten schreit verzweifelt auf. Sie wird von den Todesengeln von der Bühne gezogen. Franz Joseph setzt seine Schreibtischarbeit fort.
ERZHEROGIN SOPHIE:
Was liegt noch an?
GRAF GRÜNNE:
Die Besprechung der politischen Lage!
Ein livrierter Lakai hat inzwischen eine Karte vom östlichen Mittelmeer entrollt. Fürst Schwarzenberg erläutert die gegenwärtige Kriesensituation.
FÜRST SCHWARZENBERG:
Majestät, der Krimkrieg droht
Sich ernsthaft auszuweiten.
Dass wir Russland diesmal beisteh’n
Ist nicht zu vermeiden.
Russland danken wir die Rettung
Vor der Revolution.
Außerdem: ein Stück Türkei
Erhalten wir als Lohn!
Franz Joseph sieht seine Mutter an, die zuckt ratlos die Schultern.
FRANZ JOSEPH: Wie beurteilen sie die Lage, Graf Grünne?
GRAF GRÜNNE: Stehn wir zu Russland,
grollt uns England
Gehen wir mit England,
zürnt uns Russland.
In jedem Fall: Ein Bündnis wär’ fatal!
SCHWARZENBERG: Wir müssen uns entscheiden!
SOPHIE: Der Kaiser von Österreich muss gar nichts!
ALLE (außer Franz Josef):
Jedem gibt er das seine
Alles bringt er ins reine
Gott erhalte, Gott beschütze
Uns den jungen Kaiser!
FRANZ JOSEPH (seine Prinzipien rekapitulierend, gleichzeitig)
Sich nie zu früh entscheiden
Ja und Nein vermeiden
Habsburgs Vorteil sehn
Und Opfern entgeh’n
SOPHIE (gleichzeitig): Sei glatt! Sei falsch! Sei schlau!
GRÜNNE: Darf ich Majestät untertänigst daran erinnern, dass die Kutsche nach Bad Ischl wartet.
SOPHIE: Die Audienz ist beendet, meine Herren!
SCHWARZENBERG: Aber… was soll ich jetzt dem russischen Botschafter…?
SOPHIE: Kriege sollen andere führen! Das glückliche Österreich heiratet!
SCHWARZENBERG, RAUSCHER, KEMPEN, HÜBNER, LAKAI:
Gott erhalte, Gott beschütze uns den jungen Kaiser!
Black- out.
Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht ins Schauspiel-Forum gehört, aber probieren wir's mal.
Ein Musical, das sich mit dem Leben der Kaiserin Sisi auseinandersetzt. Mörderstoff, eigentlich. Siehe Filme.
Und der Librettist, Michael Kunze, hat die Sache genial gelöst, finde ich. Er stellt das Leben der Kaiserin als Flirt mit dem Tod dar, der Mörder Luigi Lucheni kommentiert bösartig. (Die Todgeschichte könnte ja theoretisch auch ins Auge gehen- Hollywood hat mit "Rendez-vous mit Joe Black" eindrucksvoll bewiesen, das man den Stoff total versauen kann.) Nun ja, gibt wohl einige recht nette Emanzenlieder der Dame, die Wutausbrüche des Tods sind hörenswert. Aber beeindruckt haben mich vom Text vor allem die Stücke, die den Zeitgeist veranschaulichen.
AUDIENZSAAL DER HOFBURG IN WIEN
In einem Lichtspot auf der Vorderbühne Lucheni. Er hat in einer Zeitung gelesen, die er nun zusammenfaltet"
LUCHENI (gesprochen): Wir schreiben das Jahr Achtzehnhundertdreiundfünfzig. In Wien regiert der junge Kaiser Franz Joseph. Seine Herrschaft beruht auf einem stehenden Heer von Soldaten, einem sitzenden Heer von Beamten, einem knieenden Heer von Priestern und einem schleichenden Heer von Denunzianten. Und- auf den Ratschlächen seiner Mutter, von der man sagt, sie sei der einzige Mann bei Hofe.
Lichtwechsel. Franz Joseph sitzt am Schreibtisch. Neben ihm steht seine Mutter, die Erzherzogin Sophie. Sie legt Franz Joseph Schriftstücke zur Unterschrift vor. Etwas abseits der kaiserliche Generaladjutant Graf Grünne
ERZHERZOGIN SOPHIE: (zu Franz Joseph):
Sei streng! Sei stark!
Sei kalt! Sei hart!
(zum Puplikum)
Jedem gibt er das Seine
alles bringt er ins Reine-
Gott erhalte, Gott beschütze
uns den jungen Kaiser!
Mit dem Stab auf den Boden stoßend, kündigt Graf Grünne einen Besucher an.
GRAF GRÜNNE: Der Kardinalerzbischof!
Kardinalerzbischof Rauscher tritt auf. In der Hand hält er eine Schriftmappe.
RAUSCHER: Majestät, die heil'ge Kirche
stößt auf Widerstand...
ERZHERZOGIN SOPHIE: Empörend!
RAUSCHER: Majestät, die Kirche wünst die Schulaufsicht im Land!
Erzherzogin Sophie nimmt von Kardinalerzbischof Rauscher die Mappe, studiert das vorbereitete Schiftstück und legt es mit einem Kopfnicken Franz Joseph vor.
FRANZ JOSEPH: Gewährt!
Er unterschreibt.
KARDINALERZBISCHOF RAUSCHER, ERZHERZOGIN SOPHIE, GRAF GRÜNNE: Jedem gibt er das Seine,
alles bringt er ins Reine,
Gott erhalte, Gott beschütze
uns den jungen Kaiser
GRAF GRÜNNE: Der Herr Minister!
FÜRST SCHWARZENBERG: Majestät, das Volk will uns MInister kontrollier'n!
SOPPHIE: Wie lachhaft!
SCHWARZENBERG: Ich schlage vor, die Staatsverfassung zu kassier'n.
Schwarzenberg erhält ein zustimmendes Nicken und tritt zurück. Nacheinander treten weitere Besucher vor, jeweils angekündigt durch ein Klopfen mit dem Adjutantenstab.
BARON KEMPEN: Majestät, das Spitzelwesen ist noch nicht perfekt!
SOPHIE: Verbessern!
BARON HÜBNER: Majestät, erlauben Sie mein Eisenbahnprojekt!
FRANZ JOSEPH: Gewährt!
ALLE (außer Franz Joseph):
Jedem gibt er das Seine
alles bringt er ins Reine
Gott erhalte, Gott beschüzte
uns den jungen Kaiser
FRANZ JOSEPH (seine Prinzipien rekapitulierend):
Nur an das Ganze denken,
kein Gefühl verschenkten
Emsig, brav und schlicht
ein Diener der Pflicht
LUCHENI (den Adjutanten nachäffend): Eine Mutter!
Todesengel (Anm: in der Aufführung, die ich gesehen hab', waren das schwarz gekleidete, weißhäutige Typen mit einem Flügel und einem maliziösen Grinsen) bringen die Mutter eines Verurteilten herein. Sie fällt vor Franz Joseph auf die Knie)
MUTTER EINES VERURTEILTEN: Majestät, mein Sohn rief "Freiheit" und kam vor Gericht.
ERZHERZOGIN SOPHIE: Erfreulich!
MUTTER DES VERURTEILTEN: Gnade, Gnade! Was auch war, den Tod verdient er nicht!
Franz Joseph steht auf. Er ringt mit sich.
FRANZ JOSEPH:Wenn ich so könnte, wie ich wollte...
Müsst ich nicht das tun, was ich sollte,
dann wär ich lieber mitleidsvoll und gut.
SOPHIE (teilweise gleichzeitig)
Sei streng, sei stark!
Sei kalt! Sei hart!
Sei streng! Sei stark!
Sei kalt! Sei hart!
FRANZ JOSEPH: Abgelehnt!
Die Mutter des Verurteilten schreit verzweifelt auf. Sie wird von den Todesengeln von der Bühne gezogen. Franz Joseph setzt seine Schreibtischarbeit fort.
ERZHEROGIN SOPHIE:
Was liegt noch an?
GRAF GRÜNNE:
Die Besprechung der politischen Lage!
Ein livrierter Lakai hat inzwischen eine Karte vom östlichen Mittelmeer entrollt. Fürst Schwarzenberg erläutert die gegenwärtige Kriesensituation.
FÜRST SCHWARZENBERG:
Majestät, der Krimkrieg droht
Sich ernsthaft auszuweiten.
Dass wir Russland diesmal beisteh’n
Ist nicht zu vermeiden.
Russland danken wir die Rettung
Vor der Revolution.
Außerdem: ein Stück Türkei
Erhalten wir als Lohn!
Franz Joseph sieht seine Mutter an, die zuckt ratlos die Schultern.
FRANZ JOSEPH: Wie beurteilen sie die Lage, Graf Grünne?
GRAF GRÜNNE: Stehn wir zu Russland,
grollt uns England
Gehen wir mit England,
zürnt uns Russland.
In jedem Fall: Ein Bündnis wär’ fatal!
SCHWARZENBERG: Wir müssen uns entscheiden!
SOPHIE: Der Kaiser von Österreich muss gar nichts!
ALLE (außer Franz Josef):
Jedem gibt er das seine
Alles bringt er ins reine
Gott erhalte, Gott beschütze
Uns den jungen Kaiser!
FRANZ JOSEPH (seine Prinzipien rekapitulierend, gleichzeitig)
Sich nie zu früh entscheiden
Ja und Nein vermeiden
Habsburgs Vorteil sehn
Und Opfern entgeh’n
SOPHIE (gleichzeitig): Sei glatt! Sei falsch! Sei schlau!
GRÜNNE: Darf ich Majestät untertänigst daran erinnern, dass die Kutsche nach Bad Ischl wartet.
SOPHIE: Die Audienz ist beendet, meine Herren!
SCHWARZENBERG: Aber… was soll ich jetzt dem russischen Botschafter…?
SOPHIE: Kriege sollen andere führen! Das glückliche Österreich heiratet!
SCHWARZENBERG, RAUSCHER, KEMPEN, HÜBNER, LAKAI:
Gott erhalte, Gott beschütze uns den jungen Kaiser!
Black- out.