Liebe Gemeinde!
Ich hab da mal 'ne Frage …
Wieder einmal naht sich ein Jahrestag des Kriegsendes – der 60. diesmal, wieder sind die Medien voll von Guido Knopp und Konsorten (Hitlers Helfer, Hitlers Frauen, Hitlers Fußpfleger, Hitler – eine Karriere, Hitler – ein Aufstieg, So zärtlich war der Führer, Kochen mit Adolf etc., etc. etc.) und wieder einmal wird mir täglich aus tausend verschiedenen Quellen ins Ohr getrötet, am 8. Mai 1945 sei Deutschland befreit worden.
BEFREIT????? Bitte was?????
Ich kann mich ziemlich genau erinnern, wann diese Sprachregelung zum ersten Mal aufkam: vor genau zehn Jahren, anlässlich des 50. Jahrestages. Damals musste ich sogar einen Artikel über die Befreiungsfeierlichkeiten an meiner Uni schreiben. Und die ganze Zeit habe ich mich gefragt, wieso niemand diesen geschichtsklitternden Irrsinn aufhält. Gut, es gab eine Debatte, aber in der wurden alle, die mit dem Befreiungsbegriff nichts anfangen konnten, schnell mal ins Lager der Neonazis und deren Sympathisanten gesteckt.
Ich stelle mir gerade vor, jemand liest in 1000 Jahren so einen Beitrag über die Befreiung Europas: Erst wurden die Franzosen befreit, dann die Polen, die Belgier, die Holländer … und schliesslich die Deutschen. Wie schön, mag er denken, aber wer war wohl der geheimnisvolle Unterdrücker? Sind die braunen Horden in ihre Raumschiffe gestiegen und zurück auf den Mars, von wo sie 1933 urplötzlich aufgetaucht waren?
Mein Problem mit dem Begriff „Befreiung“ ist, dass er aus Tätern Opfer macht. Wenn die Deutschen „befreit“ worden sind, dann muss es ja auch vorher jemanden gegeben haben, der ihnen diese Freiheit vorenthalten hat. Und wer war das, von wem sind sie also „befreit“ worden? Genau – vom Nationalsozialismus. Dass dieser Nationalsozialismus eine nicht gerade lockere Verbindung mit dem Deutschen Volk hatte, dass er in ihm entstanden ist und mit ihm und aus ihm heraus wirksam wurde, dass er eine deutsche Hervorbringung ist, die so lange von großer Zustimmung getragen wurde, bis der Krieg sich wendete, wird dabei schlicht unterschlagen. Das aber Völker mit ihrer Führung unzufrieden sind, wenn diese dabei ist, einen Krieg zu verlieren, ist weder eine spezifisch Deutsche Qualität, noch hat sie irgendeine antifaschistische Triebfeder. Es ist einfach nicht schön, wenn um einen herum dauernd etwas explodiert. Von daher hatten die Deutschen den Krieg, den sie 1939 begonnen hatten, sicher gründlich satt und empfanden sein Ende als Befreiung. Aber von den Nazis sind sie, so sehe ich das, nicht befreit worden, sie sind als Nazis oder zumindest mit den Nazis besiegt worden. So war das!
Selbstverständlich gab es auch Deutsche, die befreit wurden. Vorneweg die deutschen Juden und andere deutsche Gefangene in den Konzentrationslagern. Aber auch Widerständler und desertierte Soldaten, die bis zuletzt um ihr Leben fürchten mussten. Und sicher auch viele, die still und furchtsam gegen den Nationalsozialismus waren. Aber unser Staat und – wenn das richtig sehe auch unser Volk – sieht sich (zurecht) in der Nachfolge des Deutschen Reiches. Und dieses Reich besiegelte am 8. Mai 1945 seine Niederlage, nachdem zuvor fast ganz Europa von seiner Herrschaft befreit werden musste.
Ich stelle mir gerade vor, ich fahre in die Niederlande. Ich bin ziemlich oft in der Provinz Zeeland, die im Krieg besonders hart gelitten hat, weil die Deutschen (also mein Volk, nur zwei Generationen vor mir) sie bis zuletzt hielten, aber nicht versorgen konnten. Vielleicht findet dort irgendeine Befreiungsfeierlichkeit statt, also gehe ich hin, und stelle mich neben einen alten Zeeländer, der womöglich damals einen Bruder oder eine Schwester durch den Hunger verloren hat. Und dem klopfe ich dann auf die Schulter und sage: „Wie schön, dass unsere Völker damals befreit worden sind.“
Ich würde es ihm nicht übel nehmen, wenn er mir saftig eine pfeffert.
Mal ehrlich: Wann habt Ihr das letzte Mal gehört, dass die Polizei bei einer Geiselnahme 10 Leute befreit hat, darunter den Geiselnehmer?
Warum ich Euch damit behellige? Nun, Sprache ist unser Werkzeug, oder? Und so einfach lassen sich mit Sprache Tatsachen verdrehen? Oder wie seht Ihr das?
Wir werden mal wieder befreit
Wir werden mal wieder befreit
O You who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You
Re: Wir werden mal wieder befreit
Gelt, bei uns ist das einfacher. Österreich haben sie von den Deutschen befreit.
(Also, angeblich halt. Wo sich die Leute, die Adolf da zugewinkt haben am Heldenplatz, auch so tapfer gewehrt haben und so.)
Obwohl es in Aschach einen Haufen alter Nazis gibt, die jetzt grad schwarze Kerzerl anzünden und die Fahne auf Halbmast hängen oder sowas.
Erinnre mich dran, dass ich dir am Samstag einen Witz von Aflred Dorfer erzähle, der halt nur mit Gestik funktioniert.
Obwohl es in Aschach einen Haufen alter Nazis gibt, die jetzt grad schwarze Kerzerl anzünden und die Fahne auf Halbmast hängen oder sowas.
Erinnre mich dran, dass ich dir am Samstag einen Witz von Aflred Dorfer erzähle, der halt nur mit Gestik funktioniert.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon
- Ursula Vernon
Re: Wir werden mal wieder befreit
Hallo razorback,
prinzipiell möchte ich dir zunächst einmal zustimmen das „Sprache unser Werkzeug“ ist und das sich mit Sprache Tatsachen verdrehen lassen. Also ist ein vorsichtiger Umgang mit der Sprache angebracht, gerade was solche sensiblen Themen angeht wie das Kriegsende des Zweiten Weltkriegs.
Ein Sprecher sollte wissen was er meint und was er ausschliesst, wenn er gewisse Begriffe verwendet. Das führt direkt zu Fragen des Kontextes, wovon zwei für mich wesentliche Fragen lauten: In welchen Zusammenhang stelle ich die Begriffe, die ich verwende? Und: Welche Reichweite beanspruche ich durch die Verwendung meiner Begriffe abzudecken?
Praktisches Beispiel für die letztere Frage: Wer behauptet die Deutschen seien am 08.05.1945 „nur“ befreit worden vom NS-Regime und seine geschichtliche Analyse damit für abgeschlossen hält oder sogar noch für Rechtfertigungen nutzt („GottseiDank nahm jemand diese üblen Schurken weg, die wir nie haben wollten und befreite uns…“), dem ist in der Tat nicht zu helfen. Ich finde, dies belegt dein Beitrag sehr eindrucksvoll. Der Nationalsozialismus ist natürlich nichts vom damaligen deutschen Volke Abgekoppeltes, das sich als böse Macht von Außen, als Heimsuchung sozusagen, auf es legte. Auch ist es ein gewichtiges Argument nicht von „Befreiung“ zu reden, da dieser Begriff viel eher für die Länder angebracht scheint, die von der NS-Besatzung befreit werden mussten. (gutes Beispiel mit dem Zeeländer)
Aber ich finde dennoch, dass es einen Kontext gibt, in dem es berechtigt ist den Begriff der „Befreiung“ zu verwenden, und zwar einen der sich gegen diesen Allgewaltigkeitsstempel auf diesen Tag („Wir wurden am 08.05.1945 vom Nationalsozialismus befreit und nichts weiter. Punkt.Aus.“) wehrt und diesem Tag verschiedene Etikettierungen zugesteht die nebeneinander gelten können. „Tag der deutschen Niederlage“ wäre so eine Etikettierung. In einem solchermaßen offenen Kontext kann dann – ohne Scheuklappen und Tunnelblick – eine Debatte über die einzelnen Etikettierungen und ihre (Nicht-)Berechtigung geführt werden. Die Etikettierungen sollten dann auch in einen Zusammenhang (siehe erste Frage) gestellt werden (z.B. „Warum mussten wir überhaupt befreit werden?“), Querverbindungen können gezogen werden, kurz: eine zusammenhängende und differenzierte Debatte über den 08.05.1945, seine Vorbedingungen und seine historische Bedeutung kann geführt werden.
Wenn ich nun behaupte, wie ich es ja getan habe, dass es – neben anderen Etikettierungen – berechtigt ist den 08.05.1945 als „Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus“ anzusehen, so muss ich das auch begründen. Das versuche ich mal in Abgrenzung deines Textes, denn du gehst mir zu leicht über die deutschen Juden, deutschen Gefangenen in Konzentrationslagern, Widerständler, desertierten Soldaten und die vielen still-furchtsamen Menschen die gegen das NS-Regime waren, hinweg. Du benennst diese Menschen als Einschränkung und sagst sicher, diese seien ja befreit worden, jedoch schreibst du als Abschwächung der Einschränkung…
…und das überzeugt mich nicht, weil es auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt ist. Dass unser Staat sich als Nachfolger des Deutschen Reiches sieht und dass dieses Reich am 08.05.1945 seine Niederlage besiegelte berührt in keinster Weise die Tatsache, dass die von dir erwähnten deutschen Juden, deutschen Gefangenen in Konzentrationslagern, Widerständler, desertierten Soldaten und die vielen still-furchtsamen Menschen die gegen das NS-Regime waren, befreit wurden. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe. Das Eine (Rechtsnachfolge, Kapitulation) ist eine juristische und eine historische (zutreffende) Bewertung, das Andere sind motivationale Einstellungen von Menschen die (aus welchen Gründen auch immer) gegen das NS-Regime standen.
Und diese Menschen sind eben am 08.05.1945 definitiv vom Nationalsozialismus befreit worden!!
(insofern passt auch dein Geiselnehmer-Beispiel und die in ihm implizierte strikte Ländertrennung nicht, denn diese Menschen waren Geiseln und gehörten zum deutschen Volk)
Soweit mein erstes Argument, gegen welches ein spezieller Einwand jedoch sehr nahe liegt: Ich habe nämlich von bestimmten Gruppen gesprochen, die an diesem Tag meiner Ansicht nach vom Nationalsozialismus befreit wurden und ich habe das begründet. Keinesfalls habe ich von ganzem deutschen Volk gesprochen. Insofern bin ich bis zu diesem Punkt nur berechtigt vom 08.05.1945 als „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus für Teile des deutschen Volkes“ zu sprechen.
Es liegt natürlich nahe und ist klar, dass mit solch generalisierenden Begriffen wie „Volk“ in Sätzen grundsätzlich niemals hundertprozentiger Wahrheitswert erzielt werden kann („Das Volk denkt“…“das Volk hat das Vertrauen verloren“…etc): Man kann immer eine Ausnahme suchen und wird sie finden.
So bleibt als interessante Schlussfrage, ob auch für einige von Denjenigen, die dem Naziregime eher gewogen bis sehr gewogen waren oder ihm gar glühend anhingen, von einem „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus“ gesprochen werden kann? Und ich glaube dies ist möglich, wenn man ein bisschen semantisch argumentiert. „Befreit werden“ kann man nämlich nicht nur von einer Unterdrückung, „befreit werden“ kann man auch von einem Wahn, von einer falschen Vorstellung, von einer Irrlehre, der man aufgesessen ist. Unter denen jedoch, die dem Nazi-Regime eher gewogen bis sehr gewogen waren (und vielleicht selbst unter jenen die ihm glühend anhingen) wird sich ein nicht unerheblicher Teil an Menschen finden/befunden haben, die ihre Anhängerschaft – wie ausgeprägt sie auch immer war – im Nachhinein als Fehler einsahen und die mit sich selbst schwere Schulddebatten auszufechten hatten. So gesehen sind auch diese Menschen „befreit“ worden.
Fazit: Ich halte es, mit den erhobenen Einschränkungen, für durchaus berechtigt vom 08.05.1945 als "Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus" zu sprechen. Der absoluten Korrektheit sollte man "Teile des deutschen Volkes" sagen und um das genauer zu spezifizieren müsste man die Größe der Gruppen, die ich in beiden Argumenten nannte in Relation setzen zur damaligen Größe des deutschen Volkes.
Dass öffentliche Debatten solche Feinheiten nur in ihren Feuilletons berücksichtigen (und manchmal nicht mal das) weiß ich natürlich auch, aber hey, dafür gibt’s ja O livro, oder?
Liebe Grüße,
Ham
prinzipiell möchte ich dir zunächst einmal zustimmen das „Sprache unser Werkzeug“ ist und das sich mit Sprache Tatsachen verdrehen lassen. Also ist ein vorsichtiger Umgang mit der Sprache angebracht, gerade was solche sensiblen Themen angeht wie das Kriegsende des Zweiten Weltkriegs.
Ein Sprecher sollte wissen was er meint und was er ausschliesst, wenn er gewisse Begriffe verwendet. Das führt direkt zu Fragen des Kontextes, wovon zwei für mich wesentliche Fragen lauten: In welchen Zusammenhang stelle ich die Begriffe, die ich verwende? Und: Welche Reichweite beanspruche ich durch die Verwendung meiner Begriffe abzudecken?
Praktisches Beispiel für die letztere Frage: Wer behauptet die Deutschen seien am 08.05.1945 „nur“ befreit worden vom NS-Regime und seine geschichtliche Analyse damit für abgeschlossen hält oder sogar noch für Rechtfertigungen nutzt („GottseiDank nahm jemand diese üblen Schurken weg, die wir nie haben wollten und befreite uns…“), dem ist in der Tat nicht zu helfen. Ich finde, dies belegt dein Beitrag sehr eindrucksvoll. Der Nationalsozialismus ist natürlich nichts vom damaligen deutschen Volke Abgekoppeltes, das sich als böse Macht von Außen, als Heimsuchung sozusagen, auf es legte. Auch ist es ein gewichtiges Argument nicht von „Befreiung“ zu reden, da dieser Begriff viel eher für die Länder angebracht scheint, die von der NS-Besatzung befreit werden mussten. (gutes Beispiel mit dem Zeeländer)
Aber ich finde dennoch, dass es einen Kontext gibt, in dem es berechtigt ist den Begriff der „Befreiung“ zu verwenden, und zwar einen der sich gegen diesen Allgewaltigkeitsstempel auf diesen Tag („Wir wurden am 08.05.1945 vom Nationalsozialismus befreit und nichts weiter. Punkt.Aus.“) wehrt und diesem Tag verschiedene Etikettierungen zugesteht die nebeneinander gelten können. „Tag der deutschen Niederlage“ wäre so eine Etikettierung. In einem solchermaßen offenen Kontext kann dann – ohne Scheuklappen und Tunnelblick – eine Debatte über die einzelnen Etikettierungen und ihre (Nicht-)Berechtigung geführt werden. Die Etikettierungen sollten dann auch in einen Zusammenhang (siehe erste Frage) gestellt werden (z.B. „Warum mussten wir überhaupt befreit werden?“), Querverbindungen können gezogen werden, kurz: eine zusammenhängende und differenzierte Debatte über den 08.05.1945, seine Vorbedingungen und seine historische Bedeutung kann geführt werden.
Wenn ich nun behaupte, wie ich es ja getan habe, dass es – neben anderen Etikettierungen – berechtigt ist den 08.05.1945 als „Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus“ anzusehen, so muss ich das auch begründen. Das versuche ich mal in Abgrenzung deines Textes, denn du gehst mir zu leicht über die deutschen Juden, deutschen Gefangenen in Konzentrationslagern, Widerständler, desertierten Soldaten und die vielen still-furchtsamen Menschen die gegen das NS-Regime waren, hinweg. Du benennst diese Menschen als Einschränkung und sagst sicher, diese seien ja befreit worden, jedoch schreibst du als Abschwächung der Einschränkung…
Aber unser Staat und – wenn das richtig sehe auch unser Volk – sieht sich (zurecht) in der Nachfolge des Deutschen Reiches. Und dieses Reich besiegelte am 8. Mai 1945 seine Niederlage, nachdem zuvor fast ganz Europa von seiner Herrschaft befreit werden musste.
…und das überzeugt mich nicht, weil es auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt ist. Dass unser Staat sich als Nachfolger des Deutschen Reiches sieht und dass dieses Reich am 08.05.1945 seine Niederlage besiegelte berührt in keinster Weise die Tatsache, dass die von dir erwähnten deutschen Juden, deutschen Gefangenen in Konzentrationslagern, Widerständler, desertierten Soldaten und die vielen still-furchtsamen Menschen die gegen das NS-Regime waren, befreit wurden. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe. Das Eine (Rechtsnachfolge, Kapitulation) ist eine juristische und eine historische (zutreffende) Bewertung, das Andere sind motivationale Einstellungen von Menschen die (aus welchen Gründen auch immer) gegen das NS-Regime standen.
Und diese Menschen sind eben am 08.05.1945 definitiv vom Nationalsozialismus befreit worden!!
(insofern passt auch dein Geiselnehmer-Beispiel und die in ihm implizierte strikte Ländertrennung nicht, denn diese Menschen waren Geiseln und gehörten zum deutschen Volk)
Soweit mein erstes Argument, gegen welches ein spezieller Einwand jedoch sehr nahe liegt: Ich habe nämlich von bestimmten Gruppen gesprochen, die an diesem Tag meiner Ansicht nach vom Nationalsozialismus befreit wurden und ich habe das begründet. Keinesfalls habe ich von ganzem deutschen Volk gesprochen. Insofern bin ich bis zu diesem Punkt nur berechtigt vom 08.05.1945 als „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus für Teile des deutschen Volkes“ zu sprechen.
Es liegt natürlich nahe und ist klar, dass mit solch generalisierenden Begriffen wie „Volk“ in Sätzen grundsätzlich niemals hundertprozentiger Wahrheitswert erzielt werden kann („Das Volk denkt“…“das Volk hat das Vertrauen verloren“…etc): Man kann immer eine Ausnahme suchen und wird sie finden.
So bleibt als interessante Schlussfrage, ob auch für einige von Denjenigen, die dem Naziregime eher gewogen bis sehr gewogen waren oder ihm gar glühend anhingen, von einem „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus“ gesprochen werden kann? Und ich glaube dies ist möglich, wenn man ein bisschen semantisch argumentiert. „Befreit werden“ kann man nämlich nicht nur von einer Unterdrückung, „befreit werden“ kann man auch von einem Wahn, von einer falschen Vorstellung, von einer Irrlehre, der man aufgesessen ist. Unter denen jedoch, die dem Nazi-Regime eher gewogen bis sehr gewogen waren (und vielleicht selbst unter jenen die ihm glühend anhingen) wird sich ein nicht unerheblicher Teil an Menschen finden/befunden haben, die ihre Anhängerschaft – wie ausgeprägt sie auch immer war – im Nachhinein als Fehler einsahen und die mit sich selbst schwere Schulddebatten auszufechten hatten. So gesehen sind auch diese Menschen „befreit“ worden.
Fazit: Ich halte es, mit den erhobenen Einschränkungen, für durchaus berechtigt vom 08.05.1945 als "Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus" zu sprechen. Der absoluten Korrektheit sollte man "Teile des deutschen Volkes" sagen und um das genauer zu spezifizieren müsste man die Größe der Gruppen, die ich in beiden Argumenten nannte in Relation setzen zur damaligen Größe des deutschen Volkes.
Dass öffentliche Debatten solche Feinheiten nur in ihren Feuilletons berücksichtigen (und manchmal nicht mal das) weiß ich natürlich auch, aber hey, dafür gibt’s ja O livro, oder?
Liebe Grüße,
Ham
"If it's a hit? - Yeah, that's me! If it's a miss? - Yeah, that's me!" (Robert Palmer)
Re: Wir werden mal wieder befreit
Werte Brüder zur Sonne, zur Freizeit!
Eine interessante Debatte ist das hier. Tolyanischer Senf in der Sauce gefällig? Nun, der Achtemai war nur der Schlusspunkt. Befreit war da fast alles schon, nicht nur halb Europa, sondern auch fast ganz Deutschland. Eigentlich fehlte ja nur noch Berlin und ein paar unwesentliche ländliche Regionen ...
Am Achtemai wurde also, denk ich, höchstens Berlin befreit. Es wäre also nicht ganz unsinnig, den Achtenmai als "Tag der nationalsozialistischen Kapitulation" zu bezeichnen?!
(Wobei ich mir jetzt nicht ganz sicher bin, ob das historisch definitiv stimmt, oder ob da auch noch der 9.5. in Frage käme ...)
beste Grüße
Tolya
Eine interessante Debatte ist das hier. Tolyanischer Senf in der Sauce gefällig? Nun, der Achtemai war nur der Schlusspunkt. Befreit war da fast alles schon, nicht nur halb Europa, sondern auch fast ganz Deutschland. Eigentlich fehlte ja nur noch Berlin und ein paar unwesentliche ländliche Regionen ...
Am Achtemai wurde also, denk ich, höchstens Berlin befreit. Es wäre also nicht ganz unsinnig, den Achtenmai als "Tag der nationalsozialistischen Kapitulation" zu bezeichnen?!
(Wobei ich mir jetzt nicht ganz sicher bin, ob das historisch definitiv stimmt, oder ob da auch noch der 9.5. in Frage käme ...)
beste Grüße
Tolya
Re: Wir werden mal wieder befreit
Seid doch nicht immer so supigenau. Der achte Mai ist ein gutes Datum, da treffen sich Schröder und Putin und rufen sich zu, "hey wir haben uns lieb" und verdammt und zugenäht sie haben ein recht sich lieb zu haben, denn beide stehen für die Umsetzung der demokratischen Grundordnung mit allen Mitteln. Vor allem Putin, Putins Redefreiheit besteht darin das es in seinem Land verboten ist über den Krieg in Tschetchenien(oh gott sicher falsch geschrieben) so zu berichten dass am Ende die russische Armee die Agressoren sind und keine blutrünstigen Terroristen, da wird mal eben ein land platt gemacht, aber Schröder lächelt....das ist gut, das ist demokratisch, plattmachen und lächeln, aber putin kann viel schöner lächeln, putin hat auch so etwas elegantes, charmantes, er hat blut an den händen, aber man sieht es nicht.
das alles aufzuschreiben erscheint mir schrecklich moralisch und überdies nicht neu. wir alle sollten wissen was nach der sogenannten befreiung vom faschismus möglich war.
so zum beispiel die ethnische säuberung der serbischen nationalisten. herr karadzic wird ja angeblich immer noch mit einem haftbefehl gesucht.
ich habe das gesicht einer alten frau in zenica noch vor augen, die ich morgens antraf und die mit sich oder mit irgendeiner anderen person redete, die nicht existent war.
später erfuhr ich ihre geschichte. sie wurde zusammen mit ihrer tochter aus dem haus gejagt, kam in ein konzentrationslager und musste zusehen wie ihre tochter vergewaltigt wurde und das mehrmals am tag.
das sind geschichten und sie passieren, vierzig oder fünfzig nach einer sogenannten befreiung....
das alles aufzuschreiben erscheint mir schrecklich moralisch und überdies nicht neu. wir alle sollten wissen was nach der sogenannten befreiung vom faschismus möglich war.
so zum beispiel die ethnische säuberung der serbischen nationalisten. herr karadzic wird ja angeblich immer noch mit einem haftbefehl gesucht.
ich habe das gesicht einer alten frau in zenica noch vor augen, die ich morgens antraf und die mit sich oder mit irgendeiner anderen person redete, die nicht existent war.
später erfuhr ich ihre geschichte. sie wurde zusammen mit ihrer tochter aus dem haus gejagt, kam in ein konzentrationslager und musste zusehen wie ihre tochter vergewaltigt wurde und das mehrmals am tag.
das sind geschichten und sie passieren, vierzig oder fünfzig nach einer sogenannten befreiung....
Wenn der Himmel so blau ist, warum wird es dann finster?
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